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Alte Thurbrücke

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Ramon & Ewa
August 4, 2019
Die Sage der alten Thurbrücke handelt von einer Mutter, Frau von Hohenzorn, die vor langer Zeit im Städtchen Bischofszell ein geruhsames und zufriedenes Leben führte, das erfüllt war von Glück und Stolz an ihren beiden hochgewachsenen, frischen Söhnen. Es waren wackere Burschen, die immer miteinander zogen, viel Frohsinn und Lebenslust in die Enge des Städtchens brachten und über alles die Jagd in den dichten Wäldern an der Thur und Sitter liebten. Es war wohl eine grosse Leidenschaft, von der sie nicht lassen konnten, weil es doch zu prächtig war, mit Pfeil und Bogen, den Falken auf der Faust, auf schnaubenden Pferden dem Wilde nachzujagen. Manchmal sagte ihnen die Mutter, sie sollten doch zu Hause bleiben, weil die Jagd und der Wald so viele Gefahren in sich bergen. Die Burschen hörten aber selten auf ihre Mutter, sie beruhigten sie und gingen trotzdem in die Wälder an jenem frühen Morgen, als die Mutter, ein Gewitter ahnend, sie herzlich und dringend bat, wenigstens heute daheim zu bleiben. „Bis zum Mittag sind wir sicher zurück“, erklärten sie und liessen die Mutter in schwerer Besorgnis und Unruhe zurück, bestiegen mit ihren Pferden den Kahn und ruderten über die Thur ins jenseitige Waldgelände. Es war ein guter Tag, manch Häslein und Rehlein wurde erbeutet. Als der Mittag nahte, dachten die jungen Jäger ans Heimgehen und liessen ihr Horn erschallen, dass der Ton hell und silbern über die schweigenden, einsamen Wälder hinklang. Aber ihre Jagdlust erwachte wieder, als sie plötzlich einen prächtigen, stolzen Hirsch gewahrten, dem sie durch brechende Büsche, durch Tobel und Schluchten nachsetzten. Sie merkten nicht, wie sich langsam dunkle Wolken am westlichen Himmel zusammenballten und wie näher und näher grollend ein dumpfer Donner heranzog. Die Jagdleidenschaft hatte sie blind und taub gemacht, und erst, als ein plötzlicher Windstoss durch die Bäume fegte, blickten sie auf und gewahrten mit Schrecken, dass die Sonne verschwunden und einer dämmerigen Dunkelheit gewichen war. Sie rissen ihre Pferde herum und jagten zur Thur zurück, um vor dem losbrechenden Gewitter das Ufer zu erreichen und hinüberzusetzen. In tiefer Angst stand in dieser Zeit die Mutter am Fenster und spähte hinunter zum Fluss, der langsam anzuschwellen schien, weil oben in den Bergen das Unwetter schon unheimlich getobt hatte. Dann brach es auch hier plötzlich aus den schwer lastenden Wolken und raste über die Gegend. Frau von Hohenzorn konnte nicht mehr in der Wohnung bleiben. Sie eilte durch die Branden und Wettern hinunter an die Thur, um ihre Söhne zu warnen, zu retten vor dem wild tobenden Wasser, das in unheimlich gewachsener Stärke fast das Bett zu sprechen schien. Plötzlich erblickte sie ihre Söhne, die aus dem Wald herausstürmten. Aber was taten sie? Um Himmels Willen! Sie lösten ja den Kahn. Wollten sie hinüber? Da schrie und rief die verzweifelte Mutter: „Nicht, nicht kommen!“ Aber das Unwetter zerriss ihre Stimme, ihre Buben hörten sie nicht. Da sank die arme Frau in die Knie und betete zum Hergott. Aber die kecken Buben ruderten und steuerten den schwer beladenen Kahn mit tollem Mut durch die reissende Flut. Sie waren in die Mitte des Flusses gelangt, als plötzliche ein in den Bergen losgerissener Baum mit furchtbarem Schlag ihr Boot traf, es umkehrte und alles unter sich begrub. Ohnmächtig sank am Ufer die Mutter, die alles mitangesehen hatte und nicht helfen konnte, in sich zusammen. Nach drei Tagen fand man die Leichen der beiden Brüder und brachte sie in das dunkle Haus der Trauer, wo eine schwarz gekleidete, grauhaarige Mutter nicht mehr weinen konnte, weil der Schmerz zu grosse geworden war. Es war kaum ein Jahr vergangen nach diesem schweren Unglück, als die Mutter eines Tages, noch in Trauerkleidung, Geld und Wertschriften zusammenraffte und damit zum Amtsmann ging, es auf seinen Tisch legte und schlicht und einfach sagte: „Ich will nicht, dass noch eine Mutter solches Leid erleben muss. Hier bringe ich euch das notwendige Geld. Baut eine Brücke über die Thur, an jener Stelle, wo meine Söhne ertrunken sind. Wenn es an Geld fehlen sollte, will ich es noch bringen. Nein, ihr sollt keinen Zoll für den Durchgang erheben. Aber wenn ihr mir eine Freude machen wollt, so möge jeder, der die Brücke benutzt, ein Vater Unser zum Andenken an meine Söhne beten.“ Dann verliess sie das Amtshaus, und der Amtsmann stand staunend vor dieser grossen und stillen Tat. Es dauerte nicht lange, und die Brücke ward gebaut, krumm und schmal, so wie sie es damals konnten. Ja, sie steht noch heute und ruht auf starken Pfeilern über dem Wasser der Thur. Freilich, das Vater Unser wird nicht mehr gebetet, aber viele wissen noch von dieser edlen Tat, die so gross und schön ist und mehr wert als mach andere, viel wichtiger scheinende Handlung.
Die Sage der alten Thurbrücke handelt von einer Mutter, Frau von Hohenzorn, die vor langer Zeit im Städtchen Bischofszell ein geruhsames und zufriedenes Leben führte, das erfüllt war von Glück und Stolz an ihren beiden hochgewachsenen, frischen Söhnen. Es waren wackere Burschen, die immer mite…
Location
Bischofszell, TG